Florian Rivière (FRA)06.10. – 30.11.2012

Der französische Künstler Florian Rivière bezeichnet sich selbst als "Urban Hacktivist". Von 2008 - 2012 etablierte und leitete er das Kollektiv "Démocratie Créative", das eine Serie öffentlicher Interventionen in Strasbourg veranstaltete.

Das Ziel seiner Arbeiten, die von Hacker, DIY und Upcycling inspiriert sind, ist die Rückeroberung des urbanen Raums durch dessen Bewohner. Rivière verwendet größtenteils gefundenes Rohmaterial, um spontane Street Games und Installationen inklusive Bedienungsanleitungen zu kreieren. Er gibt also klare Anweisungen zur Funktionalität ausgewählter öffentlicher Standorte und zu den Aktionen, die der Benutzer dort ausführen soll.

Im September war Florian Rivière Teilnehmer des Wiener Street Art Festivals "Black River". Für die STREET ART PASSAGE VIENNA hat er ein Bild gestaltet, das sein Credo der "3 F - Fun, Free, Fuck" widerspiegelt.


Interview von Margit Mössmer:

Florian Rivières Ideen sind so demokratisch wie möglich: individuell, spontan und leicht zu reproduzieren. Die im Heft dokumentierten Installationen entstanden vornehmlich im Zuge eines Workshops, den Florian Rivière im Rahmen des Black River Festival 2012 in Wien gab. In der STREET ART PASSAGE VIENNA hat er seine Kritik an Copyrights, Werbung und Konsumkultur auf einem Billboard deponiert: "Free Bier If You Use This Elevator (don’t trust advertising)".

Du bezeichnest Dich nicht als Künstler sondern als Urban Hacker. Was steht dahinter?
Hacken bedeutet, ein Problem zu lösen. Es bedeutet, die eigenen Vorstellungen zu nutzen, um die Dinge um sich herum zu ändern, und es markiert den Unterschied zwischen einer Zivil- und einer Konsumgesellschaft. Es ist eine Mischung aus urbaner Kunst, Aktivismus, Selbstermächtigung und der Gestaltung des öffentlichen Raums.

Was benötigt man, um ein Urban Hacktivist zu werden?
Meine Methode besteht aus drei Teilen: Sich treiben lassen, Umleiten und Do it yourself. 1/ Drift: Ich analysiere meine Umgebung. Wenn ich mich gezielt verirrt habe, erstelle ich eine Piratenkarte, bewaffnet nur mit einem Kompass. 2/Divert: Ich mache ein Inventar von all den Dingen, die mich umgeben, und dann stelle ich mir spontane Eingriffe in diese Umgebung vor. 3/DIY: Ich baue aus Dingen, die ich auf der Straße finde, mit nur wenigen Werkzeugen (Multifunktionszange, eine zusammenklappbare Säge, Klebeband, Bindfaden...) etwas Neues.

Was willst Du mit Deinem Credo „Fun, Free, Fuck“ sagen?
Das ist meine Ethik, inspiriert von Pekka Himanens Buch Die Hacker Ethik und der Geist des Informationszeitalters. Er erläutert darin eine Philosophie, die auf drei Fs beruht: Fun, Food, Friend. Ich habe das nur meiner Arbeit angepasst. „Fun“ heißt spontan zu sein und zu spielen, eine Persönlichkeitsentwicklung in Richtung mentales Wohlbefinden und Kreativität. „Free“ steht für die Benutzung frei zugänglicher Quellen und DIY: Der Versuch autonom zu sein und sein Wissen ohne einen Businessplan zu teilen. „Fuck“ bedeutet seine Freiheit zu behalten und subversiv zu sein wie Henry David Thoreau, Mahatma Gandhi, Martin Luther King.

Durch Deine Arbeit fühlt man sich an die Ideen der „Situationistischen Internationale“ erinnert – sind das Vorbilder?
Durchaus, aber ich finde alle subversiven Bewegungen inspirierend. Mit unterschiedlichsten Namen haben sie alle das gleiche Ziel verfolgt. Die Théorie de la dérive von Guy Debord war das Vorbild für meine Philosophie der Exploration. Für mich, wie auch für die Situationisten, ist öffentlicher Raum natürlicher Lebensraum, was einen freien Austausch von Ideen und Gütern verlangt und eine Akzeptanz des Unerwarteten. Dazu muss ein hoher Grad an Beweglichkeit und Kreativität innerhalb einer Gesellschaft bestehen. Wenn ich von Wohlbefinden rede, meine ich das weder im finanziellen noch materiellen Sinne, sondern ich rede von Autonomie, Wachheit, der Möglichkeit persönlicher Entwicklung und Solidarität. Heutzutage opfern viele ihre Freiheit für Sicherheit, wirtschaftliche Erwägungen oder institutionellen Schutz. Es ist essentiell wichtig, diese Räume zurück zu erobern. Nicht nur durch billiges Kritisieren oder Runtermachen, sondern durch Handeln und Kreativität.

Florian Rivière’s ideas are as democratic as possible: individual, spontaneous and easy to emulate. The installations documented in this issue were mainly developed in the course of a workshop which Rivière gave as part of the Black River Festival in Vienna in 2012. At the STREET ART PASSAGE VIENNA he made a statement against copyright, advertising, and consumer culture: "Free Bier If You Use This Elevator (don’t trust advertising)".

You don’t want to call yourself an artist, but rather an Urban Hacktivist. What is behind this?
Hack mean divert/build an object/a system to solve a problem. It means to use your imagination to build in your environment. Be an active citizen, not a passive consumer. It's a movement between urban art, activist expression, DIY, urban tactics and design of public space. What does one need to become an Urban Hacktivist? My method is divided in three parts: Drift, Divert, DIY. 1/ Drift : I analyze my environment, getting lost, I made my own pirate's map armed with my compass. 2/ Divert : I make an inventory of all the objects around me especially recurring items and I imagine spontaneous interventions with a child’s mind. 3/ DIY : I build something with elements found in the street helped by just a few accessories : multifunction pliers, folding saw, tape, string, ...

What do you mean with your articulated credo „Fun, Free, Fuck?“
This is my ethic, inspired by the Pekka Himanen's book The Hacker Ethic, and the Spirit of the Information Age. He explains a philosophy based on 3F : Fun, Food, Friend. I just adapt it to my work. Fun means to be spontaneous and play, a personal development towards feeling good mentally and being creative, Free is to use open sources and DIY, to try to be be autonomous and share your knowledge without a business plan, Fuck means trying to keep one’s freedom and be subversive as Henry David Thoreau, Mahatma Gandhi, Martin Luther King.

Perceiving your work one might be reminded of the ideas of the philosophical movement „Internationale Situationiste“ – an inspiring example for you?
Yes, but all countercultural movements are inspiring to me. They all have and had the same goal with different names. The Theory of the Dérive by Guy Debord inspired my exploration philosophy. Like to the Situtationists, to me public space is natural living space, encompassing a free exchange and wellcoming the unexpected. This requires an enormous level of freedom and creativity within society to ensure the well being of its inhabitants. When I speak of well-being I don’t mean financially or materially but I’m talking about autonomy, awareness, personal development and solidarity. Today we lose our freedom for the sake of security, economy or institutional paternalism. It's essential to reclaim these spaces. Not just by facile criticism or denigration, but by direct action and creativity.

www.florianriviere.fr