Zur Geschichte von Street Art

Die heutige Street Art wurzelt in New Yorks Downtown-Szene der 1980er Jahre ebenso wie in den politischen Kunstpraktiken der europäischen Situationisten und der süd- und mittelamerikanischen Mural-Painter. Street Art spielt mit der Atmosphäre des jeweiligen Ortes, verwendet vielfältige Medien (Schablonen, Malerei, Objekte usw.) und wendet sich an ein breites Publikum. Wie keine andere Kunstform vermag sie oft latente Gefühlssituationen unmittelbar zu einem Bild zu verdichten.

Jeden Tag muss sich der moderne Stadtmensch im öffentlichen Raum durch ein Netz von Informationen in Form von Straßenschildern oder Werbeplakaten kämpfen. Das einzelne Individuum fügt sich mehr oder weniger widerstandslos in dieses Stadtgeflecht ein und unterwirft sich damit dem Zeichensystem der herrschenden Kultur. Für persönlichen Ausdruck im Sinne einer individuellen Symbolik bleibt kein Platz im öffentlichen Raum.
Im Aufkommen der Graffitibewegung in den 1970er Jahren sah der französische Philosoph Jean Baudrillard den ersten «Aufstand der Zeichen» (1978) und ein Einbrechen in die Sphäre der urbanen Ordnung der Symbole und in die terroristische Macht der Medien. Doch die revolutionäre Hoffnung wurde enttäuscht. Heute befinden wir uns bereits in einer «Post-Graffiti-Ära»: der radikal-anarchistische Anspruch der ersten Graffitikünstlerinnen und –künstler, der oft mit dem Wunsch nach Zerstörung verbunden war, hat sich gelegt. Der Versuch, mit einer individuellen Ausdrucksform in das anonyme öffentliche Stadtbild einzugreifen, ist jedoch erhalten geblieben und hat in der so genannten Street Art eine neue Ausdrucksform und Weiterentwicklung gefunden.
Street Art, wie wir sie heute kennen, entstand Ende der 1980er Jahre. Künstlerinnen und Künstler begannen ihre selbst gestalteten grafischen Arbeiten wie Bilder in der urbanen Landschaft zu verteilen. Die verwendeten Designs und Materialien sind dabei äußerst vielseitig: Plakate, Aufkleber, Schablonengraffiti, Wandmalereien und andere Objekte, wie Holzplatten oder Styroporskulpturen.

Street Art versucht eine Form von individueller Kunst im öffentlichen Raum zu etablieren, die besondere Situationen unmittelbar zu einem Bild verdichten oder auch bereits zerstörten oder heruntergekommenen Orten wie z.B. Baustellen, öffentlichen Toiletten, Mülltonen einen neuen Charakter verleihen kann. Ähnlich wie einst die Bewegung der Situationisten, die den dérive, das planlose Umherschweifen forderten, animiert heute die Street Art die Passanten, durch die Stadt zu gehen und ein offenes Auge sowohl für das reibungslose Funktionieren als auch die Schönheit der Störungen darin zu entwickeln.

Die Künstlerinnen und Künstler von Street Art bleiben in der Regel anonym. Dabei verfügen sie oft über eine professionelle Ausbildung und arbeiten nicht selten untertags als Grafikdesigner oder Künstler, während sie nachts ihre Arbeiten auf der öffentlichen Straße anbringen.
Rein formal können in der Geschichte etablierter Formen von Kunst durchaus Vorläuferformen und Anknüpfungspunkte gefunden werden: Die Nutzung von Wänden für persönliche künstlerische Ausdrucksformen gibt es seit Anbeginn der Menschheit. Kunsthistorisch kann man die Street Art Bewegung an die mexikanischen Mural-Painter (Diego Rivera u.a.), an die Konzeptkunst oder auch an die Pop Art (Robert Rauschenberg u.a.) anknüpfen, die ebenfalls bewusst mit Verfahren industrieller Medien und der Serialität von Motiven arbeitete.

Da Street Art sich an die gesamte Öffentlichkeit richtet, kann sie auch von Leuten wahrgenommen werden, die sonst mit Kunst nichts zu tun haben bzw. keinen Zugang zu dieser haben. In diesem Sinn handelt es sich um einen sehr offenen und liberalen Kunstbegriff, der zur Interaktivität und Kommunikation auffordert.
In den letzten Jahren ist die Akzeptanz von Street Art als Kunstform stark gestiegen. Weltweit finden mittlerweile entsprechende Ausstellungen und Festivals statt. Seit September 2008 trägt auch die „Street Art Passage Vienna“ das ihre zu dieser gesteigerten Akzeptanz bei.